Strategien der Innenentwicklung in kleinen und mittleren Kommunen


Im Forschungsprojekt AktVis haben sich mehrere Ansätze herauskristallisiert, die für die Forcierung einer Innenentwicklung mit dem Fokus auf kleine und mittlere Kommunen hilfreich sind. So muss für eine gelungene Innenentwicklung der gesamte Ort aktiviert werden. Die innerhalb der zweijährigen Projektlaufzeit identifizierten Ansätze für Strategien zur Umsetzung einer Innenentwicklung  stehen sich gleichwertig gegenüber und sind nicht abschließend, sondern stellen die wichtigsten Erfahrungen dar, die durch weitere Erkenntnisse aus der Literatur angereichert wurden.


1.    Bewusst machen

 

Ausgangspunkt für eine erfolgsversprechende Innenentwicklung ist die Schaffung eines Bewusstseins für die Thematik und deren Notwendigkeit. Durch die Erreichung eines Bewusstseins ist die Basis für den weiteren Prozess und ein aktives Mitwirken gelegt. „Kommunikation zur Bewusstseinsbildung ist das ‚A und O‘ für einen Erfolg beim Thema ‚Reduzierung der Neuflächeninanspruchnahme‘“ (Fahrenkrug und Kilian 2011: 178). Dabei können öffentliche Aktionen, wie die durchgeführte Sprayaktion oder ein Quartiersrundgang, niederschwellig Aufmerksamkeit erzeugen (vgl. BBSR 2017: 55).



2.    Kommunizieren

 

Die wechselseitigen Abhängigkeiten in der Innenentwicklung, besonders im Bezug zum Privateigentum, zwischen der öffentlichen Hand und Privaten erfordern eine kommunikative Ausgestaltung. Dafür stehen verschiedene Instrumente und Methoden, wie u.a. eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, Bürgerworkshops oder eine Eigentümeransprache, zur Verfügung. Die vielen Interessen und Akteure müssen in einem moderierten und koordinierten Prozess integriert werden.



3.    Verdeutlichen & begründen

 

Das Aufzeigen von Lösungsansätze und Erläuterungen bezüglich der Innenentwicklung unterstützen die Umsetzung. Kommunikation und Information sind vertrauensbildende Maßnahmen in Stadtentwicklungsprozessen. Durch den kommunalen Wissensvorsprung entstehen automatisch Asymmetrien. Dagegen wirken sachliche, objektive und verständliche aufgearbeitete Informationen und ermöglichen so eine wirksame Beteiligung und nachhaltiges Engagement. (vgl. Mauch 2014: 155) Dieser Strategiepunkt baut auf die vielen vorliegenden Erkenntnisse der letzten Jahre, die sich mit der Innenentwicklung beschäftigten und wichtig für die Argumentationslinie sind. Mit der Aufbereitung und Vermittlung der zentralen fachlichen Aspekte (Sensibilisierung) wird die Basis für Umsetzung und die Akzeptanz gelegt. Bekannt sind Instrumente und Möglichkeiten, aber die wirkliche Aktivierung der relevanten Handlungsakteure ist eine Herausforderung.



4.    Gemeinsam & vernetzt vor Ort

 

Für eine gelungene Innenentwicklung muss der gesamte Ort aktiv werden und das Zusammenspiel aller Maßnahmen und Projekte ist entscheidend. Die Summe der Aktivitäten und der Blick auf den gesamten Ort und seine Bewohner*innen sind wichtig. Es zeigt sich, dass Innenentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe betrachtet werden muss (vgl. Selle 2018: 33). Laut Long und Perkins (2003) beeinflussen sich die Konstrukte des Engagements und des Gemeinschaftssinnes gegenseitig. Die Evaluierung des lokalen Gemeinschaftssinnes in AktVis konnte bestätigen, dass ein hoher Gemeinschaftssinn die Beteiligung erleichtert und zudem die Aktionsbereitschaft der Bürger*innen erhöht. Die aus anderen Projekten gewonnene Erkenntnis, dass lokale Multiplikatoren, wie Ortsvorsteher bzw. Ortsbeiräte, und lokale Netzwerke wichtige Motoren der Ortsentwicklung sind, konnten in AktVis bestätigt werden (vgl. Fahrenkrug und Kilian 2011: 184; Rüger und Meyer 2013: 427).



5.    Spielerisch & ernsthaft

 

Bürger*innen und politische sowie gesellschaftliche Akteure mit ihren vielfältigen Sichtweisen und Interessen müssen im Prozess eine Wertschätzung erfahren. Informationen sollten transparent und auf Augenhöhe kommuniziert werden. Gleichzeitig bedarf die Entwicklung von Zukunftsvisionen eines großen Abstraktionsvermögens. Deshalb sollte der Prozess, neben dem fachlichen Ernst, durch spielerische Elemente die Kreativität und Motivation, aber auch den Mut zur Veränderung, fördern. Besonders durch die Visualisierungsoptionen des WebGIS hat sich gezeigt, dass eine gewisse Leichtigkeit in der Diskussion hilfreich ist.



6.    Aufmerksam sein & Chancen nutzen

 

Für eine aktive Planung muss die Kommune das Ortsgeschehen verfolgen und Vorbereitungen treffen. So kann sie zur richtigen Zeit effektiv aktiv werden. Die dauerhafte Erfassung und Bewertung der Potenziale sowie laufende Aktivierungsbemühungen sind wichtige Bausteine einer erfolgreichen Innenentwicklung und zentrale Aufgabe der Kommunen. Das ist zeit- und arbeitsaufwändig und große Erfolge sollten nicht bereits in einer ersten Beteiligung erwartet werden. Innenentwicklung muss auf einen längerfristigen und kontinuierlichen Prozess angelegt sein. Eine mehrstufige Ansprache bietet das Potenzial die großen Handlungsfelder zu erarbeiten und schrittweise umsetzbare Maßnahmen und Projekte herauszufiltern. (vgl. BBSR 2018: 98-99; Schmidt 2014: 132-136)



7.    Politisch umsetzen, aber auch bürgerschaftlich fordern

 

Der politische Wille hat große Auswirkung auf die nachhaltigen Erfolgsaussichten von Innenentwicklungsbestrebungen. Sind Strategien erarbeitet, Informationen vorhanden, ist es der politische Wille, der eine Umsetzung zunächst auf Verwaltungsebene anstößt. Dafür ist die kommunalpolitische Bereitschaft zur finanziellen Förderung wie auch eine umfassende Anwendung planerischer bzw. rechtlicher Instrumente notwendig. (vgl. Drost 2018: 15; Umweltbundesamt 2015: 21-22; Vollmer 2015: 215-216) Neben dem politischen Willen ist das Engagement aller Akteure entscheidend, denn „[…] wesentlicher für die zukunftsbeständige Entwicklung der kleinen und mittleren Städte scheint zu sein, dass mögliche Entwicklungsrichtungen weniger von ‚harten Fakten‘ abhängen, als vielmehr von den Aktivitäten und Befindlichkeiten (der Aktiven) in den Städten“ (Kaschlik 2018: 17-18). Allen Beteiligten muss verständlich gemacht werden, welche Wirkungen die Teilnahme beinhaltet und wer welche Rolle sowie Zuständigkeit im Verfahren verkörpert.



8.    Transparenz & Offenheit in der Ortsentwicklung

 

Das gegenseitige Vertrauen ist bei der Gemeinschaftsaufgabe Ortsentwicklung die wichtige Basis der Zusammenarbeit. Ein offener Umgang mit Informationen und Entscheidungsprozessen kann den Aufbau einer gegenseitigen Vertrauensbasis fördern, einer Misstrauensbildung vorbeugen und das Vertrauen in die kommunale Arbeit stärken. Die Aufarbeitung der gewonnenen Erkenntnisse und Meinungen ist wichtig. Der Entscheidungsprozess, auch die Nichtberücksichtigung von Anregungen, muss transparent und eindeutig kommuniziert werden. Die Rückkopplung der Beteiligungsergebnisse an die breite Öffentlichkeit durch Veröffentlichung der Ergebnisse oder Weitergabe in politische Gremien sowie der nachvollziehbare Umgang dieser sind essentiell. (vgl. Mauch 2014: 119-124; Nanz und Fritsche 2012: 130-131)



9.    Konkret mit Visionen

 

Neben einer gewünschten Konkretheit und schnellen Sichtbarkeit stellt allerdings eine Vision die Antriebsfeder für den gesamten Prozess dar. Hierbei sind es vor allem die Kommunen, die durch Politik und Verwaltung, auch unter Zuhilfenahme von externem Fach- und lokalem Ortswissen eine Zielrichtung für die Entwicklung erarbeiten müssen. Fehlt diese, kann auch die Ansprache und Beratung nicht zielgerichtet durchgeführt werden. Die langfristige Ausrichtung durch eine gemeinsame Vision mit konkreten Maßnahmen, die schrittweise umgesetzt werden können, erscheint ein passendes Vorgehen zu sein. Dabei darf jedoch nicht in perfekten und fertigen Lösungen gedacht werden, da sich ein Ort ständig verändert und im Wandel befindet (vgl. Bott und Siedentop 2013: 41).



10.    Diskussion & Konsens

 

Die Aushandlung von Zukunftsstrategien und Umsetzungsmaßnahmen stellt einen wichtigen Beitrag einer demokratischen und gemeinschaftlichen Ortsentwicklung dar. Es besteht Uneinigkeit darin, inwieweit für die Gemeinschaftsaufgabe Ortsentwicklung Eigeninteressen zugunsten eines kollektiv getragenen Handlungskonzeptes zurückgestellt werden müssen (vgl. Vollmer 2015: 110), oder ob die Akzeptanz dieser Eigeninteressen wichtige Voraussetzung ist und der Konsensfindungsprozess Vorrang hat (vgl. Selle 2018: 89-90). Das Vertreten der eigenen Interessen darf demnach nicht als illegitim gebrandmarkt werden, sondern ist das Recht aller. Dabei muss „die Notwendigkeit hervortreten, dass man erst im Zusammenführen aller Interessen und Belange zu ausgewogenen Entscheidungen kommen kann“ (Selle 2018: 81). Denn erst durch die „Arbeit“, der Debatte entsteht ein Gefühl ausreichend über die Zukunft sowie die Wege dorthin gesprochen und eine Entscheidungsgrundlage geschaffen zu haben.



Innenentwicklung effektiv gestalten

 

Obwohl die in AktVis angewandten Ansätze grundsätzlich zufriedenstellende Resultate erzielten, zeigte sich dennoch, dass eine bloße Erweiterung der Beteiligungs- und Kommunikationsmöglichkeiten nicht ausreichend ist. Der intensive Dialog ist der erste wichtige Schritt und eine mehrstufige Einbindung aller Akteure unter Zuhilfenahme einer 3D-Visualisierung kann die Kommunikation langfristig verbessern. Die Stellschrauben für eine Aktivierung der Innenentwicklungspotenziale liegen jedoch auch an anderen Stellen. Um die Strategien anzuwenden und für eine weitere Unterstützung des Zieles „Innen vor Außen“ sind auf der kommunalen Ebene Veränderung nötig, die die Unterstützung durch weitere politische Ebenen dringend voraussetzt. Innenentwicklung muss als komplexe Managementaufgabe verstanden werden, die im Vergleich zu Aufgaben in der klassischen Außenentwicklung einen erhöhten Planungs- und Abstimmungsaufwand beinhaltet. Kooperation und Co-Produktion sind keine Selbstläufer. Viele Maßnahmen erfordern einen hohen personellen Einsatz, der aufgrund der Innenentwicklung als eine Daueraufgabe der Verwaltungen anzusetzen ist. Es müssen selbsttragende, dauerhaft finanzierte und nicht nur auf Einzelvorhaben ausgerichtete Strukturen entwickelt werden, die eine langfristige und kontinuierliche Begleitung der Innenentwicklung sichern. (vgl. Selle 2018: 33-34; Umweltbundesamt 2015: 10-13, 31) Insgesamt müssen sich für eine erfolgreiche Innenentwicklung alle Stadtentwicklungsakteure an neue Prozesse und Strukturen anpassen.

 

Quellen:

  • BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) 2018a: Erfolgsfaktoren für Wohnungsbauvorhaben im Rahmen der Innenentwicklung von dynamischen Städten. Online verfügbar unter: https://www.bbr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2018/erfolgsfaktoren-wohnungsbauvorhaben-dl.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt geprüft: 30.04.2019)
  • BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) 2017c: 33 Baukultur Rezepte. Online verfügbar unter: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2017/33-baukultur-rezepte-dl.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt geprüft: 12.06.2018)
  • Bott, Helmut; Siedentop, Stefan 2013: Regional-, Stadt- und Quartiersentwicklung. In: Bott, Helmut; Grassl, Gregor C. (Hrsg.): Nachhaltige Stadtplanung: Konzepte für nachhaltige Quartier. München: Institut f. intern. Architektur-Dok., S. 30–41
  • Drost, Hathumar 2018: Kulturgut Europäische Stadt: weiterdenken, weiterentwicklen und weiterbauen. In: PLANERIN, Heft 1, S. 14–15
  • Fahrenkrug, Katrin; Kilian, Dagmar 2011: Gestaltung einer Image- und Wissenskampagne zum sparsamen Flächenmanagement. In: Bock, Stephanie; Hinzen, Ajo; Libbe, Jens (Hrsg.): Nachhaltiges Flächenmanagement - Ein Handbuch für die Praxis: Ergebnisse aus der REFINA-Forschung, S. 178-184
  • Kaschlik, Anke 2018: Vertrauen und Selbstwirksamkeitserwartungen in der Stadtentwicklung: Gestaltungsmöglichkeiten in kleinen/mittleren Städten in peripheren Regionen. In: RaumPlanung, Heft 195, S. 12–19
  • Long, D. Adam; Perkins, Douglas D. 2003: Confirmatory Factor Analysis Of The Sense Of Community Index and Development Of A Brief SCI. In: Journal Of Community Psychology, S. 279-296
  • Mauch, Siegfried 2014: Bürgerbeteiligung: Führen und Steuern von Beteiligungsprozessen. Führungsakademie Baden-Württemberg. 1. Aufl. s.l.: Richard Boorberg Verlag GmbH Co KG
  • Nanz, Patrizia; Fritsche, Miriam 2012: Handbuch Bürgerbeteiligung: Verfahren und Akteure, Chancen und Grenzen. Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Handbuch_Buergerbeteiligung.pdf (zuletzt geprüft: 27.07.2019)
  • Rüger, Werner; Meyer, Thomas 2013: Flurneuordnung und Innenentwicklung am Beispiel Creglingen-Finsterlohr – Bürgerschaftliches Engagement als Schlüssel zum Erfolg. In: Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement, Heft 6, S. 424-429
  • Schmidt, Holger 2014: Stabilisierung von Innenstadtlagen - Eigentümer im Fokus von Planern und Kommunalpolitikern. In: Amey, Frank; Ringel, Johannes (Hrsg.): Hotspots der Stadtentwicklung: Methoden, Praxis und Perspektiven der gemanagten Stadt. Schriftenreihe des Instituts für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft (ISB) an der Universität Leipzig. Detmold: Rohn, S. 127-137
  • Selle, Klaus 2000: Was? Wer? Wie? Warum?: Voraussetzungen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Kommunikation; Arbeitsmaterialien für Studium und Praxis. Kommunikation im Planungsprozess, Bd. 2. Dortmund: Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur
  • Umweltbundesamt 2015: Innenentwicklung: organisieren - Kommunale Organisationsstrukturen für ein effizientes Flächenressourcenmanagement im Praxistest. Online verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2271/publikationen/ratgeber_aktuell_13.01.16.pdf (zuletzt geprüft 30.04.2019)#
  • Vollmer, Maximilian 2015: Der Dreiklang der Eigentümermobilisierung: Kommunikative Strategien zur Revitalisierung innerstädtischer Quartiere. Quartiersforschung. Wiesbaden: Springer VS

Laufzeit: 1.März 2017 bis 28. Februar 2019  |  BMBF Förderkennzeichen: 033L188A 



Stand der Inhalte: November 2019